Öffentliche Waagen – Viehwaagen

Gemeindewaagen gehörten früher zum Bild eines Dorfes und waren eine Daseinsfürsorge für das Leben in landwirtschaftlich geprägten Dörfern.

Die kleinen Wiegehäuschen dienten dazu, vor dem Verkauf des Viehs, das Lebendgewicht der Tiere zu erfassen. Sie waren so konzipiert, dass die Tiere durch das Gebäude hindurchgeführt wurden, also eine meist zweiflüglige Türanlage am Eingang und eine am Ausgang vorhanden waren. Um die Richtigkeit des Waage-Vorgangs zu bescheinigen und einen möglichen Unfrieden zwischen Käufer und Verkäufer vorzubeugen, musste beim Wiegen immer eine vereidigte Person dabei sein. Damit alles seine Ordnung hatte und auch, weil sich nicht jeder eine teure Waage leisten konnte oder Patz zum aufstellen hatte, hielten die Gemeinden solche Waagen bereit.

Das Rollshäuser Wiegehäuschen wurde etwas 1930 – 1932 gebaut. Es gibt im Archiv von Rollshausen nur einen Eintrag, dass am 17.02.1932 eine Eichung durch das Eichamt über zwei Tage vorgenommen wurde. Die letzte Eichung dieser Waage wurde in 1996 vorgenommen und die letzte offizielle Verwiegung wurde am 16.03.1996 (1 Rind, 342 kg, siehe Wiegebuch) durchgeführt.

Die Waage wurde dann im April 1996 beim Eichamt abgemeldet. Den Rückgang des Viehbestandes und die Veränderung der landwirtschaftlichen Betriebe in unserem Dorf kann man anhand der Eintragungen im Wiegebuch sehr schön nachvollziehen. Fanden noch 1990 69 Verwiegungen mit 973,00 DM Wiegegebühren statt, so waren es 1994 noch 6 Verwiegungen mit 61,00 DM und 1996 noch 2 Verwiegungen mit 10,00 DM statt. Die Wiegegebühr betrug für 1 Schwein 4,00 DM, für 1 Rind 5,00 DM. Zu dieser Zeit wurden nur noch Schweine und Rinder gewogen. Der letzte vereidigte Wiegemesser war Herr Georg Fuchs. Die kleine Waage, die heute im Wiegehäuschen eingebaut ist, wurde 1976 durch die Jagdgenossenschaft zu einem Preis von 4.755,80 DM von Herrn Theofel, Großseelheimer Str. 14, Marburg, handelnd für die Firma Bizerba, Waagen- und Maschinenbau in 72336 Balingen, Wilhelm Kraut Straße 65, gekauft und eingebaut (Protokoll der Jagdgenossenschafts- Versammlung vom 27. November 1976). Dies wurde bestätigt im Protokoll vom 05. Januar 1977 Ortsbeirat Rollshausen.

Bei dieser Waage handelt es sich um eine Laufgewichtswaage vom Typ KS 123-4, Serien-Nr. 38262, Wägebereich 30 bis 1.400 kg.

Der Viehhändler oder Metzger mit seinem obligatorischen Stock und weißem oder beige farbigem langen Mantel, trieb mit dem Bauer die Viecher durch die eine Tür des Wiegehäuschens auf die dort befindliche Viehwaage und nach dem Wiegen des Wiegemeisters durch die gegenüber liegende Tür wieder hinaus.

Die Schweine wurden am hinteren Bein angebunden, sie stolperten mehr als sie liefen. Größere Tiere, wie Stiere, führte man am Nasenring. All dies ist heute Vergangenheit, seit es Gewichtssensoren auf hauchdünnen Platten oder fahrbare Waagen mitgebracht werden und Tiere direkt in den Großschlachthöfen und nicht mehr im Dorf geschlachtet werden.

Somit hatten die Gemeindewaagen und Wiegehäuschen ihren Zweck erfüllt und standen ungenutzt jahrelang herum. Die Meisten sind inzwischen verschrottet und die Gebäude abgerissen oder anderweitig einer Nutzung zugeführt worden.

Unser Wiegehäuschen nebst Waage wurde als Denkmal eingestuft, weil nur noch wenige von der landwirtschaftlichen Vergangenheit Zeugnis ablegen können.